Die anfängliche Philosophie der frühen Stock Car Racing Serien von NASCAR, AAA, MARC/ARCA, USAC und IMCA beruhte auf der direkten Identifizierung der Racefans mit ihren eigenen Alltagsautos, deshalb auch der Begriff der Strictly Stock Cars. Die Gründer dieser Rennserien hatten diese zukunftsweisenden Ideen, was sich später im Schlagwort „ Win on Sunday, sell on Monday“ niederschlagen sollte.
Die Regelwerke und technischen Vorschriften der Rennorganisatoren ähnelten schon sehr früh dicken Wälzern, um bei den Rennen mit den Familienkutschen die Full-size Cars in der Technik kostengünstig zu Halten. So konnten auch kleinere Teams und Privatfahrer an den Rennen teilnehmen und die Starterfelder wurden gefüllt. Bereits in den ersten Jahren gab es technische Reglements, die vor Allem der Sicherheit dienten, wie z.B. das Entfernen der aus Glas bestehenden Scheinwerfer und Rücklichter oder sämtlichen Zierrates wie den Chromzierleisten.
Im Laufe der Jahre wurden, die von den Herstellerwerken vorgestellten Fahrzeuge, von den Rennorganisationen freigegeben, um weiterhin die Chancengleichheiten für die beteiligten Fahrer und Teams zu Gewährleisten. Während die sogenannten Werksteams und teilweise auch werksunterstützte Teams in der Regel einen bestimmten neuen Fahrzeugtyp erhielten, schuf man für die kleineren Privatteams, über die sogenannten 3- oder 5-Jahresregeln (je nach Rennserie unterschiedlich), die Möglichkeit Fahrzeugtypen aus den vorangegangenen Jahren zu fahren. Ein Beispiel: In der NASCAR Grand National Saison 1959 fuhren die Ford-Werksteams den aktuellen neuen ´59 Ford Thunderbird, während andere Teams noch den 1958 T-Bird einsetzten oder sogar noch Ford Victoria und Ford Fairlane aus den Baujahren 1955 bis 1957 fuhren.
Einige Ausnahmen zum Regelwerk gab es aber trotzdem, wohl über Einzelfreigaben der technischen Kommissionen. So wurden immer wieder einmal Fahrzeuge eingesetzt, die selten auf den Rennstrecken zu sehen waren und die manchmal nur an einem einzigen Rennen teilnahmen und somit absolute Raritäten darstellten.
In den Stock Car Rennserien Nordamerikas, wie der bekanntesten und größten Serie NASCAR, kamen von Anfang an die serienähnlichen Strictly Stock Cars zum Einsatz. Vielleicht um an gewisses Mindestmaß an Dynamik und Sportlichkeit bei den eingesetzten „Familienautos“ zu zeigen und man beschränkte sich dabei vorwiegend auf zweitürige Modelle.
Immer ? Nein, nicht immer !
1965
Offiziell kam das erste viertürige Modell mit dem Ford Taurus 1998 in den NASCAR Winston Cup, aber auch diese offizielle Version entsprach eigentlich nicht völlig der Realität, denn bereits mit den 1990´er Modellen aus dem GM-Konzern dem Chevrolet Lumina und dem Pontiac Grand Prix gab es eigentlich viertürige Sedans.
Tatsächlich nahm ein Viertürer jedoch über 30 Jahre vor dem Ford Taurus an einem NASCAR Rennen teil und zwar beim Motor Trend 500 auf dem Riverside Speedway in Californien. Mit einem 1964 Oldsmobile Dynamic 88 und der Startnummer #6 nahm der „independent driver“ Ed Brown aus Meridian Californien das Rennen von Position 23 auf. Er belegte mit seinem Viertürer immerhin den 14. Platz, noch vor so bekannten Größen und „factory backing drivers“ wie Ned Jarrett, Fred Lorenzen, Bobby Allison oder Dick Hutcherson. Der Olds wurde im gleichen Jahr auch beim 200 Meilen Rennen der USAC National Stock Car Series auf dem Hanford Motor Speedway eingesetzt und belegte dort den 8. Platz unter 31 Startern.
1970In der NASCAR Saison 1970 setzten die GM-Werksteams bereits den aktuellen Chevrolet Chevelle ein, werksunterstützte Teams auch noch das Chevelle-Modell des Vorjahres. Bei Pontiac war man in den Rennen mit dem Grand Prix unterwegs, Oldsmobile brachte den Cutlass und Buick den Skylark an den Start. Beim Falstaff 400, einem Event der NASCAR Grand National Pacific Coast Series (später NASCAR Winston Racing West Series), auf dem Riverside Speedway in Californien startete am 14. Juni 1970 Dick Guldstrand mit der Startnummer #44 und dem Sponsor „All Star Tire Company“ aber mit einem 1968 Chevrolet Biscayne. Guldstrand, der als „Mr. Corvette“ bekannt wurde, war eigentlich ein Road Racer aus anderen Rennserien wie der SCCA TransAm und der CanAm Series und fuhr seit 1953 zahlreiche Rennen auf Corvette und Chevrolet Camaro. Der Road Course von Riverside kam Guldstrand entgegen und trotz des relativ großen Autos belegte er am Ende den 5. Platz. Die gesamte Bilanz von Guldstrand zeigte 4 Starts in der NASCAR Grand National zwischen 1965 bis 1970, drei Rennen im NASCAR Winston Cup 1971 / 1972 und drei weitere Rennen in der NASCAR Grand National Pacific Coast Series ebenfalls 1971 und 1972, meist in Riverside aber auch bei zwei Rennen auf dem Straßenrennkurs des Ontario Motor Speedways. Der Biscayne kam dabei zu nur vier Einsätzen und zwar beim Grand National Rennen in Riverside und drei Rennen der Pacific Coast Series.
1982/1983Dodge zog sich ab der Winston Cup Saison 1979 offiziell aus dem Stock Car Motorsport zurück und nur noch einige Privatfahrer verwendeten Dodge und Chrysler Modelle bis Ende 1985. In der Story „The Last Chryslers“ wurde diese Episode bereits beschrieben. In den Jahren 1981 – 1983 wurden die Dodge Magnum, Dogde Mirada und Chrysler Imperial vor allem von Buddy Arrington eingesetzt. Arrington Racing brachte selbst aber auch weitere Fahrer an den Start, die in der 1982 /1983 Saison der NASCAR Late Model Sportsman Series (später NASCAR Busch Grand National Series) ein weiteres Fahrzeug aus der Modellpalette von Dodge fuhren, nämlich den Dodge Challenger. Das erste Rennen mit diesem Fahrzeug bestritt Joe Thurman aus Rocky Mount, Virginia beim Goodys 300 am 13. Februar 1982, der Startnummer #29 und dem Sponsor Longwood Restaurants. In Martinsville ging Thurman mit dem gleichen Fahrzeug beim Dogwood 500 nochmals an den Start und belegte dabei den 5. Platz. Bei zwei weiteren Rennen, in Charlotte wurde ein Challenger von Satch Worley gefahren, der jedoch beide Male, mit technischen Defekten ausschied. In der Saison 1983 teilten sich Satch Worley mit sechs Renneinsätzen und Jimmy Hensley, der ein Rennen in Darlington bestritt das Cockpit des Arrington-Challengers. Das beste Ergebnis erzielte Worley beim Sportsman 200 in Dover mit dem 13. Platz. Von diesem Challenger ließ sich trotz langer Recherchen nur ein einziges Photo finden.
1988Gegen Ende der 80´er Jahre gab es bereits Planungen den Chevrolet Monte Carlo durch ein kleineres GM-Modell zu Ersetzen. Die Wahl fiel dabei auf den, noch in der Entwicklung befindlichen Chevrolet Lumina. Das neue Fahrzeug sollte die technischen Bestimmungen von NASCAR und der ARCA Serie erfüllen. Da der Lumina aber noch nicht in Produktion war suchte man zunächst eine Zwischenlösung, die man mit dem Chevrolet Beretta fand. Der Beretta lief bereits in der Produktion, was ja eine Grundvorraussetzung für die Zulassung in den Rennserien war und erfüllte die Kriterien zur Freigabe.
Norman Negre und Jim Coyle bauten zunächst für die ARCA Permatex Series einen Beretta auf, der allerdings auf eine Wheelbase von 10 Inches verlängert werden musste und das Auto somit ein etwas anderes Aussehen erhielt, gegenüber den Straßenfahrzeugen. Den ersten Einsatz hatte der Beretta beim Rock 500 am 21. November 1987 auf dem Atlanta Motor Speedway. Lee Raymond mit der Startnummer #1 und dem Sponsor „Riverside Auto Parts“ belegte auf Anhieb den 2. Platz und fuhr im Rennen neuen Streckenrekord. Der zweite Einsatz des Wagens fand beim ARCA 200 am 07. Februar 1988 auf dem Daytona International Speedway statt mit einem Endresultat auf Platz 11.
Weitere Rennen in der ARCA Permatex Saison folgten mit Starts in Pocono und Atlanta. Beim „Champion Spark Plugs 100“ am 18. Juni 1988 errang der Beretta in Pocono seinen ersten und einzigen Rennsieg. Beim letzten Saisonrennen in Atlanta im November 1988 wurde der Beretta allerdings dann, bei einem Rennunfall so stark beschädigt, dass das Chassis nicht mehr aufgebaut werden
konnte.
Einige NASCAR-Teams wie Junior Johnson, Tim Brewer und Childress Racing hatten während des Jahres 1988 großes Interesse am Beretta gezeigt. Lee Raymond konnte aus seinen Erfahrungen berichten, dass mit dem Beretta z.B. Kurvengeschwindigkeiten von 172 mph möglich waren, wogegen die üblichen Winston Cup Fahrzeuge nur gut 160 mph erreichten, aber auch dass der Beretta im Topspeed oft „Loose „ wurde, bedingt durch das relativ kurze Heck.
Bei GM war man zwischenzeitlich mit dem Lumina soweit, dass er seine Freigabe bei NASCAR erhalten konnte, ein Novum, denn in der Saison 1989 kam der Chevrolet Lumina fast früher zum Renneinsatz, als zu den Kunden auf die Straße. Der Einsatz des Chevrolet Beretta blieb also nur ein kurzes Intermezzo mit nur einem einzigen aufgebauten Fahrzeug.
Copyrights Story by Thomas F. Lutz 2010
Veröffentlichung im Dezember auf Stockcar-news.de