Daytona 500
Der Grundgedanke eines Dioramas im Plastikmodellbau besteht darin Modelle in eine Beziehung zur „natürlichen“ Umgebung zu setzen (soweit man im Modellbau überhaupt von „Natur“ reden kann) bzw. die Modelle so einzubetten, daß der größtmögliche Eindruck zur Realität geschaffen wird. Basierend auf dieser Ideologie werden bei Modellbaushows immer wieder wunderschöne Dioramen präsentiert, mit Modellen, Figuren und deren Umfeld, wie aus dem wahren Leben eben. Je größer allerdings der Maßstab wird, desto mehr Probleme bereiten Bau und vor allem Transport.
Ein Highway-Diorama mit einer ganzen Fahrzeugkolonne im Maßstab 1:87 auf sechs Fahrspuren wird auf Modellbaushows wahrscheinlich eher zu sehen sein, als das Nachstellen einer Szene auf einem Truck Stop in der Königsklasse 1:24. Die Dimensionen klaffen dabei gewaltig auseinander. Paßt eine ganze Fliegerstaffel in 1:144 noch auf ein Frühstücksbrettchen mit 16 x 24 cm, würden zwanzig 1:24-Trucks in zwei Reihen hintereinander schon eine Platte mit den Ausmaßen von 3 x 2 Metern benötigen.
Seit geraumer Zeit grübelte ich über ein Projekt nach, um endlich einmal meine Stock Cars auf einem Abschnitt einer Rennstrecke zu präsentieren. Aber ein großes Diorama eines US-amerikanischen Ovales aus dem Stock Car Motorsport darzustellen fiel von vorneherein aus, die Dimensionen bedürften einer Halle und die hochaufragenden Tribünen nachzubauen würde Jahre dauern, ganz zu schweigen von den 150.000 Zuschauerfiguren. Ein Szenorama kam also in die Planung mit nur einem kleinen Ausschnitt. Unzählige Konstruktionspläne und Versuche mit steck- und klappbaren Teilen aus Holz, Blech, Pappe, Faserplatten, Plastiksheet, Kupferfolie, Styropor und sogar Gips malträtierten den Halter meiner Brille. Ruhelose Nächte und stundenlanges Grübeln ließen mir keine Ruhe. Zudem sollte das neue Szenorama auch einige Bedingungen erfüllen:
- die Herstellung sollte überaus kostengünstig sein
- es durften keine wertvollen Ressourcen verbraucht werden
- alle Bestandteile sollten recyclingfähig sein
- die Konstruktion sollte leicht sein zu transportieren sein
- der Auf- und Abbau sollte schnell zu montieren sein
- die Teile sollten stapelbar sein für die Aufbewahrung im begrenzten Hobbyraum und
- das Gebilde sollte unter diesen Gegebenheiten noch möglichst „echt“ aussehen
Holzkonstruktionen wären für das Vorhaben zu teuer und zu schwer geworden; eine Rennstrecke aus geformten Alublechen hätte einen immens hohen Aufwand und großes handwerkliches Geschick erfordert; Faser- oder Plastikplatten hätten einen tragenden Unterbau benötigt und ein Szenorama aus Pappe wäre zu instabil und nicht gegen Feuchtigkeit geschützt gewesen. Für all diese Lösungen wären zusätzlich noch selbstkonstruierte Steckverbindungen nötig geworden und die Beschaffungskosten hätten das bereitgestellte Budget bei Weitem überschritten.
Wo also lag die Lösung ?
War das Projekt „Daytona 500“ bereits zum Scheitern verurteilt bevor es überhaupt angefangen hatte ? War ein solches Szenorama überhaupt realisierbar ?
Zuviele offene Fragen und so wurde das Vorhaben zunächst einmal auf Eis gelegt sozusagen aus dem RAM-Speicher des Gedächtnisses gestrichen und auf eine stille Ecke der Festplatte abgelegt.
Monate später fand sich jedoch eine geniale wie einfache Lösung wie ein Blitz am Herbsthimmel ! Beim Durchblättern eines Spielwaren Kataloges unserer Kinder war das Problem urplötzlich Schnee von Gestern, die Lösung offenbarte sich ganz offen im Katalog - - - eine Carrara-Bahn !
Fast alle Bedingungen konnten von diesen Bahnteilen erfüllt werden.
Bei ebay fanden sich nach einigem Suchen 8 gebrauchte Geraden einer Carrera Exklusiv Bahn im Maßstab 1:24 für nur einen Euro, denn die Teile waren beim Reinigen mit Verdünnung miteinander verschmolzen. Mit Geduld, Cutter, Säge und Feile konnten die Teile wieder voneinander getrennt werden. Zwar wurden dabei einige Zapfen abgetrennt, aber für eine stabile Steckverbindung verblieben noch genügend Zapfen. Die Leiterbahnen wurden entfernt und die so entstandenen Fugen zunächst mit Bauschaum ausgegoßen.
Plattenübergänge mit Linien kaschiert
einzelne Platte mit Zapfen
Nach dem Trocknen wurden die Überstände abgeschnitten und die Flächen mit Feinspachtel überdeckt. Nach dem Verschleifen wurden alle Bahnteile zusammengesteckt, die gesamte Fläche grundiert, danach der gesamte Streckenabschnitt mit mattem Grau bemalt und Alles anschließend gealtert. Brems- , Reifen- und Ölspuren wurden im letzten Arbeitsschritt mit Drybrushing aufgebracht.
Als „Green“ dient ein Restestreifen einer Grasmatte aus dem Eisenbahnerladen. Die berühmt berüchtigte Mauer wurde aus leichtem Balsaholz angefertigt und mit weißem Allzwecklack matt bemalt. Die Verbindung aus dem dickflüssigen Mattlack und der rauen Holzoberfläche kommt dem Aussehen einer „echten“ Mauer schon sehr nah. Auf die Mauerfläche wurden Papierbuchstaben mit dem Logo „Daytona“ im Stil der Schriftart aufgeklebt, die in den 90´er Jahren in Daytona zu sehen war.
Zaun und Mauer Frontansicht
Zaun und Mauer Rückansicht
Die Mauer selbst erhielt an der Unterseite Holzverzapfungen aus Zahnstochern, die in entsprechende Löcher in den Bahnteilen gesteckt werden. Mittels dieser Befestingungsmethode wurden auch die Röhrchen aus Wattestäbchen oben in die Mauer gebracht, die den Fangzaun halten. Die Stangen erhielten einen Knick im oberen Bereich und der Fangzaun ist eigentlich Fliegengitter, das mit Silber eingefärbt wurde. Die Längsdrähte und Verstrebungen bestehen aus Garn und wurden, wie der Draht auch mit Silberfarbe bemalt.
Das fertige Szenorama „Daytona 500“ erfüllte in seiner Art und Bauweise die selbst gesteckten Bedingungen. Die Herstellkosten blieben aufgrund der gebrauchten Teile aus ebay, Holzresten, Haushaltsresten und bereits vorhandenen Farben sehr gering; neue Ressourcen wurden nicht verschwendet; alle Teile können voneinander getrennt recycelt werden; die gesamte Konstruktion ist demontiert und ohne
Szenorama "Daytona 500" verpackt
Fangzaun, gefaltet
großen Aufwand zu transportieren und wiegt nur 2,1 kg; der Auf- und Abbau bei den Modellbaushows dauert nicht länger als 10 Minuten; die Module sind stapelbar und in einer Plastikbox einfach zu transportieren, dabei werden sie mit normalem Packpapierbögen vor Kratzern geschützt. Angesichts der recht simplen Bauweise und einfachster Materialien schaut des Szenorama nicht einmal schlecht aus.
Drybrush in mehreren Lagen
Das Szenorama in Daten:
8 Streckenmodule a Länge x Breite 34,3 cm x 19,9 cm, Einzelgewichte variierend 180 – 190 gr
4 Seitenmodule Länge x Breite 34,3 cm x 10,0 cm, Gewicht je 80 gr
Mauermodul 1 LDH 100 cm x 1 cm x 5 cm, Gewicht 120 gr
Mauermodul 2 LDH 37 cm x 1 cm x 5 cm, Gewicht 30 gr
Fangzaun mit 12 Stäben Länge 137 cm x Höhe 16cm, Gewicht 10 gr
Abmessungen Gesamt LB 137,2 cm x 55,8 cm, Gesamtgewicht 2120 gr
Gesamtansicht
Fazit: Simple Modelling in seiner ureigensten Form, die einfachsten Rezepte sind immer noch die Besten und Spaß machts auch noch ....